Männer und Frauen im Jesusfilm
Papst Johannes Paul II. hat in seinem jüngsten Schreiben an die Bischöfe nicht zuerst Männern, sondern Frauen eine besondere Begabung für echte Hingabe an den anderen Menschen bis hin zum Selbstopfer zugetraut. Der Däne Lars von Trier, die zur Zeit größte Regie-Begabung weit und breit, stimmt ihm in seinen jüngsten Werken implizit bei: Der kürzlich zum katholischen Glauben konvertierte Regisseur, Begründer eines viel beachteten Filmmanifestes mit dem be-zeichnenden Titel Dogma 95, hat in seinen christologisch äußerst beziehungsreichen Filmen der letzten Jahre, die durchweg das Selbstopfer einer Frau unter jeweils wechselnden Umständen thematisieren, die Hauptrolle mit überzeugenden Darstellerinnen wie Emily Watson, Nicole Kidman oder der Popsängerin Björk besetzt und dadurch auch handfeste Feministinnen zum Nachdenken über die Notwendigkeit freier liebender Hingabe aber auch zum Widerspruch gegen weibliche Rollenklischees angeregt.
Analoges gilt für Mel Gibsons blutiges Passionsdrama, das inzwischen auch ernstzunehmende englisch- und deutschsprachige Buchpublikationen angestoßen hat. Wo sich liberale und kon-servative Kommentatoren bis heute über die Angemessenheit seiner Christusdarstellung durch den ungeschlacht und ausdrucksschwach wirkenden Jim Caviezel trefflich streiten können, ist die Begeisterung nahezu einhellig, wenn es um Gibsons zarte, wie hingehaucht wirkenden Frau-enfiguren geht. Die Mutter Gottes, Maria Magdalena, Veronika und Claudia, die Frau des Ponti-us Pilatus aber auch der feminin wirkende Simon von Cyrene und der Lieblingsjünger Johannes, verleihen dem ansonsten inszenatorisch eher schwerfällig wirkenden opus magnum eine luzide Magie und spirituelle Kraft. Wenn überhaupt, dann scheint in ihren Blicken auf den blutenden Erlöser wie in einem Spiegel etwas von jener Liebe auf, die Gibson in äußerst kurzen und nur allzu vorhersehbaren Rückblenden auf Jesu Leben und Lehr-Reden vor seinem Leiden mehr be-hauptet als plausibel darstellt.
Nicht ohne Grund war die Effeminisierung des Jesusbildes selbst bei Mel Gibsons Vorgängern von Pier Paolo Pasolini und Franco Zefirelli bis zum meisterhaften Denys Arcand weit fortge-schritten. Der maskuline und blutrünstige Befreiungsschlag des Actionhelden Mel Gibson scheint so filmgeschichtlich zwar unausweichlich, aber auch nur partiell gelungen, wirkt er doch auf den Zuschauer nur dort, wo man diesem mit Hilfe dieses‚ weiblichen Blicks’ auf den das Erlösungswerk vollbringenden Protagonisten eine Identifikation erlaubt. Diese Verschiebung auf eine Perspektive der ‚Braut Christi’ hatte allerdings bereits eine breite Basis in der Textgrundla-ge Gibsons – den von Clemens Brentano kongenial in Schrift gesetzten Visionen der Seligen Anna Katharina Emmerick.